Schuhformen – Derby ist nicht nur im Sport ein Begriff
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Man muss nicht gleich nach Northampton ins Zentrum der englischen Schuhfertigung reisen um etwas über die grundlegenden Ausprägungen der schönen Herrenschuhe zu erfahren. Zum Glück gibt es ja Blogs wie diesen hier. An dieser Stelle möchten wir ein wenig auf die verschiedenen Arten von rahmengenähten Schuhen eingehen, wie sie nach klassischer englischer Schule hergestellt werden: Derby, Oxford, Brogue, Monkstrap – was ist das eigentlich alles?
Wenn wir von klassischen Schuhformen sprechen, dann reden wir über Typen, die es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gibt. Sie wurden hauptsächlich in London, Paris, Budapest und Wien entwickelt. Alles in allem gibt es unter den Halbschuhen die Grundtypen Schnürschuh, Schnallenschuh und Slipper. Die Namen sprechen bereits für sich, weitere Erläuterungen sind eigentlich nicht nötig. Schauen wir uns aber zum Beispiel die Schnürschuhe genauer an, so fallen gewichtige Unterschiede ins Auge.
Schnürschuhe: Derby und Oxford
Diese beiden Grundtypen repräsentieren den größten Teil der heute verkauften klassischen Herrenschuhe rahmengenähter Machart. Derbyschuhe haben eine offene Schnürung, bei der die zu verschnürenden Seitenteile über der Zunge liegen, welche wiederum mit dem Vorderblatt des Schuhs eine Einheit darstellt. Ein Bild kann das leicht veranschaulichen.
Beim Typ Oxford hingegen ist die Schnürung geschlossen. Das heißt, dass die Seitenteile, die den Schuh auf dem Spann halten, unter dem Vorderblatt liegen. Die Zunge ist hier ein separates Teil und an das Vorderblatt angenäht. Hier sehen wir einen typischen Vertreter des Oxford-Modells in einer Version als „Captoe“, also mit einer aufgesetzten Vorderkappe ohne Verzierungen.
Es geht beim Oxford auch noch minimalistischer. Ein Oxford aus einem einzigen Stück Leder, ein sogenannter Wholecut, verzichtet auf jegliches Ornament uns überzeugt durch sein Understatement.
Im Vergleich zum Derby wirkt der Oxford meist einen Tick eleganter, weil filigraner. Der Derby hingegen hat Vorteile, wenn man einen hohen Spann hat, da man die Schnürung besser an die Fußform anpassen kann. Aber Liebhaber von schönen Schuhen werden sicher von beiden Modellen einige zuhause in der Sammlung haben.
Monkstraps: Damit kann man ins Kloster gehen
Nicht alle Aspekte des klösterlichen Lebens sind weltabgewandt. Bei der zur Verfügung stehenden Auswahl an Schuhformen haben die Mönche mit ihren Sandalen die klassischen Schuhmacher inspiriert und geholfen, den Monkstrap oder Monk zu schaffen. Dieser Schuh stellt einen eigenen Grundtyp dar und unterscheidet sich von den Schnürschuhen dahingehend, dass er mittels einer oder mehrerer Schnallen verschlossen wird. Das kann sehr elegant aussehen, wie das nachfolgende Bild beweist.
Ganz ohne Verschluss: Die Slippers
Die Slippers sind keine Schlagerband, sondern eine weitere Möglichkeit, Schuhe zu bauen. Dieser Typus, der auch unter der Bezeichnung Loafer bekannt ist, kommt ganz ohne Verschlussmechanik aus, da man in ihn hineinschlüpft. Das ist recht bequem und passt besonders zu leichter und nicht so förmlicher Garderobe. Auch hier gibt es verschiedene Ausprägungen, wobei die wichtigste Entscheidung beim Kauf ist, ob man Troddeln haben möchte (dann spricht man vom Tassel Loafer) oder nicht (wie beim Penny Loafer).
Löcher im Schuh – früher praktisch, heute Zierde
Doch, das ist so, denn das Thema Brogueings kommt nun zur Sprache. Neben den Schuhformen, die nach der Art der Schnürung eingeteilt sind, gibt es noch die Ausprägungen nach der Art der Verzierungen mit Löchern im Oberleder. Diese nennt man Brogueings, ein schottischer bzw. gälischer Ausdruck, der von „Brogs“ kommt, was für „Schuhe“ steht. Angeblich wurden früher die Schuhe der Bauern mit Löchern versehen, damit sie schneller trocknen konnten. Regnet ja viel in Schottland. Heutzutage dienen diese Löcher der Verzierung, und da gibt es viele herrliche Modelle.
Full Brogues, Half Brogues, Quarter Brogues und Longwing
Schuhe mit einer Flügelkappe, die mit reichhaltigen Lochverzierungen und einem Linienspiel versehen sind, nennt man Full Brogues. Ein sehr schönes Beispiel sehen Sie oben im ersten Bild dieses Artikels. Im Gegensatz zum Full Brogue ist der Half oder Semi Brogue nicht so opulent verziert. Er hat keine Flügelklappe, sondern nur an der Fußspitze Ornamente, wie hier beispielhaft zu sehen ist.
Der Quarter Brogue hingegen zeichnet sich durch eine Lochung entlang der Naht zur Vorderkappe, die aber ohne Verzierungen auf der Kappe gearbeitet ist, aus. Dadurch wirkt ein Quarter Brogue noch mal etwas schlichter.
Der Longwing ist eine Sonderform des Full Brogues, bei dem sich die verzierte Flügelklappe über die ganze Länge des Schafts zieht. Aus diesem Grund hat ein Longwing auch nie eine Fersenkappe. Ein Longwing ist immer ein Derby, das heißt, dass er eine offene Schnürung besitzt. Diese Form des Herrenschuhs stammt aus den USA und gilt als eher sportlich.
Selten gesehene Herrenschuhe
Blücher
Der Name Blücher geht tatsächlich auf den preußischen Feldmarschall Fürst Blücher zurück und bezeichnet einen eher schlichten Lederschuh mit Derbyschnürung. Im Gegensatz zum Derby hat der Blücher keinen Bogen an der Seite, sondern kommt ohne jede Verzierung aus und ist aus einem Stück Leder geschnitten (sog. Wholecut). Seinem Ursprung als robuster Soldatenschuh angemessen wird der Blücher eher nicht zum Anzug, sondern in der Freizeit getragen.
Norweger
Der Norweger hat seinen Ursprung wie der Name schon sagt in Norwegen und ist ursprünglich der Arbeitsschuh der dortigen Fischer. Im Gegensatz zum Blücher wird er aber speziell in Frankreich durchaus zur eleganten Garderobe kombiniert. Charakteristisch für diesen Typ Herrenschuhe sind die Kanten der Schaftteile, die man ganz deutlich am Vorderteil des Schuhs erkennen kann. Meist ist auch noch an der Kappe eine vertikale Kante eingearbeitet.
Spectators oder Co-Respondents
Mit die auffälligsten Herrenschuhe sind die Spectators, auch Co-Respondents genannt, deren Oberleder üblicherweise aus zwei Farben zusammengesetzt ist. Die klassische Form ist Schwarz-Weiß, aber es gibt sie in allen möglichen Farbkombinationen und als Derbys und Oxfords.. Manchmal werden auch unterschiedliche Materialien gemischt (z. B. Leinen und Leder für Sommermodelle). Wohl 1868 von der Firma John Lobb als Kricketschuh vorgestellt, wurde der Spectator bald zur Fußbekleidung der (damals als zu leichtlebig gebrandmarkten) Musiker und Clubgänger Englands und war daher beim Establishment verpönt. Die große Zeit der Spectator-Schuhe begann dann mit dem Aufkommen des Jazz.
Natürlich sind die dargestellten Schuhformen und -typen kein vollständiges Lexikon der Schuhwelt. Viele weitere Möglichkeiten harren noch der Entdeckung – es gibt da ja zum Beispiel noch die Welt der Boots und Stiefel, die man erkunden kann, denn Herrenschuhe gibt es viele. Aber das soll an anderer Stelle geschehen.
Wir bedanken uns bei Joseph Cheaney & Sons aus England für die zur Verfügung gestellten Bilder. Sie können unter www.cheaney.co.uk viele der beschriebenen und noch viele weiteren Modelle anschauen. Wir sind nicht mit Cheaney & Sons geschäftlich verbunden.
Schuhformen – Derby ist nicht nur im Sport ein Begriff
Man muss nicht gleich nach Northampton ins Zentrum der englischen Schuhfertigung reisen um etwas über die grundlegenden Ausprägungen der schönen Herrenschuhe zu erfahren. Zum Glück gibt es ja Blogs wie diesen hier. An dieser Stelle möchten wir ein wenig auf die verschiedenen Arten von rahmengenähten Schuhen eingehen, wie sie nach klassischer englischer Schule hergestellt werden: Derby, Oxford, Brogue, Monkstrap – was ist das eigentlich alles?
Wenn wir von klassischen Schuhformen sprechen, dann reden wir über Typen, die es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gibt. Sie wurden hauptsächlich in London, Paris, Budapest und Wien entwickelt. Alles in allem gibt es unter den Halbschuhen die Grundtypen Schnürschuh, Schnallenschuh und Slipper. Die Namen sprechen bereits für sich, weitere Erläuterungen sind eigentlich nicht nötig. Schauen wir uns aber zum Beispiel die Schnürschuhe genauer an, so fallen gewichtige Unterschiede ins Auge.
Schnürschuhe: Derby und Oxford
Diese beiden Grundtypen repräsentieren den größten Teil der heute verkauften klassischen Herrenschuhe rahmengenähter Machart. Derbyschuhe haben eine offene Schnürung, bei der die zu verschnürenden Seitenteile über der Zunge liegen, welche wiederum mit dem Vorderblatt des Schuhs eine Einheit darstellt. Ein Bild kann das leicht veranschaulichen.
Beim Typ Oxford hingegen ist die Schnürung geschlossen. Das heißt, dass die Seitenteile, die den Schuh auf dem Spann halten, unter dem Vorderblatt liegen. Die Zunge ist hier ein separates Teil und an das Vorderblatt angenäht. Hier sehen wir einen typischen Vertreter des Oxford-Modells in einer Version als „Captoe“, also mit einer aufgesetzten Vorderkappe ohne Verzierungen.
Es geht beim Oxford auch noch minimalistischer. Ein Oxford aus einem einzigen Stück Leder, ein sogenannter Wholecut, verzichtet auf jegliches Ornament uns überzeugt durch sein Understatement.
Im Vergleich zum Derby wirkt der Oxford meist einen Tick eleganter, weil filigraner. Der Derby hingegen hat Vorteile, wenn man einen hohen Spann hat, da man die Schnürung besser an die Fußform anpassen kann. Aber Liebhaber von schönen Schuhen werden sicher von beiden Modellen einige zuhause in der Sammlung haben.
Monkstraps: Damit kann man ins Kloster gehen
Nicht alle Aspekte des klösterlichen Lebens sind weltabgewandt. Bei der zur Verfügung stehenden Auswahl an Schuhformen haben die Mönche mit ihren Sandalen die klassischen Schuhmacher inspiriert und geholfen, den Monkstrap oder Monk zu schaffen. Dieser Schuh stellt einen eigenen Grundtyp dar und unterscheidet sich von den Schnürschuhen dahingehend, dass er mittels einer oder mehrerer Schnallen verschlossen wird. Das kann sehr elegant aussehen, wie das nachfolgende Bild beweist.
Ganz ohne Verschluss: Die Slippers
Die Slippers sind keine Schlagerband, sondern eine weitere Möglichkeit, Schuhe zu bauen. Dieser Typus, der auch unter der Bezeichnung Loafer bekannt ist, kommt ganz ohne Verschlussmechanik aus, da man in ihn hineinschlüpft. Das ist recht bequem und passt besonders zu leichter und nicht so förmlicher Garderobe. Auch hier gibt es verschiedene Ausprägungen, wobei die wichtigste Entscheidung beim Kauf ist, ob man Troddeln haben möchte (dann spricht man vom Tassel Loafer) oder nicht (wie beim Penny Loafer).
Löcher im Schuh – früher praktisch, heute Zierde
Doch, das ist so, denn das Thema Brogueings kommt nun zur Sprache. Neben den Schuhformen, die nach der Art der Schnürung eingeteilt sind, gibt es noch die Ausprägungen nach der Art der Verzierungen mit Löchern im Oberleder. Diese nennt man Brogueings, ein schottischer bzw. gälischer Ausdruck, der von „Brogs“ kommt, was für „Schuhe“ steht. Angeblich wurden früher die Schuhe der Bauern mit Löchern versehen, damit sie schneller trocknen konnten. Regnet ja viel in Schottland. Heutzutage dienen diese Löcher der Verzierung, und da gibt es viele herrliche Modelle.
Full Brogues, Half Brogues, Quarter Brogues und Longwing
Schuhe mit einer Flügelkappe, die mit reichhaltigen Lochverzierungen und einem Linienspiel versehen sind, nennt man Full Brogues. Ein sehr schönes Beispiel sehen Sie oben im ersten Bild dieses Artikels. Im Gegensatz zum Full Brogue ist der Half oder Semi Brogue nicht so opulent verziert. Er hat keine Flügelklappe, sondern nur an der Fußspitze Ornamente, wie hier beispielhaft zu sehen ist.
Der Quarter Brogue hingegen zeichnet sich durch eine Lochung entlang der Naht zur Vorderkappe, die aber ohne Verzierungen auf der Kappe gearbeitet ist, aus. Dadurch wirkt ein Quarter Brogue noch mal etwas schlichter.
Der Longwing ist eine Sonderform des Full Brogues, bei dem sich die verzierte Flügelklappe über die ganze Länge des Schafts zieht. Aus diesem Grund hat ein Longwing auch nie eine Fersenkappe. Ein Longwing ist immer ein Derby, das heißt, dass er eine offene Schnürung besitzt. Diese Form des Herrenschuhs stammt aus den USA und gilt als eher sportlich.
Selten gesehene Herrenschuhe
Blücher
Der Name Blücher geht tatsächlich auf den preußischen Feldmarschall Fürst Blücher zurück und bezeichnet einen eher schlichten Lederschuh mit Derbyschnürung. Im Gegensatz zum Derby hat der Blücher keinen Bogen an der Seite, sondern kommt ohne jede Verzierung aus und ist aus einem Stück Leder geschnitten (sog. Wholecut). Seinem Ursprung als robuster Soldatenschuh angemessen wird der Blücher eher nicht zum Anzug, sondern in der Freizeit getragen.
Norweger
Der Norweger hat seinen Ursprung wie der Name schon sagt in Norwegen und ist ursprünglich der Arbeitsschuh der dortigen Fischer. Im Gegensatz zum Blücher wird er aber speziell in Frankreich durchaus zur eleganten Garderobe kombiniert. Charakteristisch für diesen Typ Herrenschuhe sind die Kanten der Schaftteile, die man ganz deutlich am Vorderteil des Schuhs erkennen kann. Meist ist auch noch an der Kappe eine vertikale Kante eingearbeitet.
Spectators oder Co-Respondents
Mit die auffälligsten Herrenschuhe sind die Spectators, auch Co-Respondents genannt, deren Oberleder üblicherweise aus zwei Farben zusammengesetzt ist. Die klassische Form ist Schwarz-Weiß, aber es gibt sie in allen möglichen Farbkombinationen und als Derbys und Oxfords.. Manchmal werden auch unterschiedliche Materialien gemischt (z. B. Leinen und Leder für Sommermodelle). Wohl 1868 von der Firma John Lobb als Kricketschuh vorgestellt, wurde der Spectator bald zur Fußbekleidung der (damals als zu leichtlebig gebrandmarkten) Musiker und Clubgänger Englands und war daher beim Establishment verpönt. Die große Zeit der Spectator-Schuhe begann dann mit dem Aufkommen des Jazz.
Natürlich sind die dargestellten Schuhformen und -typen kein vollständiges Lexikon der Schuhwelt. Viele weitere Möglichkeiten harren noch der Entdeckung – es gibt da ja zum Beispiel noch die Welt der Boots und Stiefel, die man erkunden kann, denn Herrenschuhe gibt es viele. Aber das soll an anderer Stelle geschehen.
Bitte beachten Sie thematisch passend auch unseren Artikel über Anzüge für den Mann und schauen Sie gleich in unserem Onlineshop beim Anzug GEORG vorbei.
Wir bedanken uns bei Joseph Cheaney & Sons aus England für die zur Verfügung gestellten Bilder. Sie können unter www.cheaney.co.uk viele der beschriebenen und noch viele weiteren Modelle anschauen. Wir sind nicht mit Cheaney & Sons geschäftlich verbunden.